Steinböcke zum Greifen nah
Fährt man auf der A95 von München nach Garmisch-Partenkirchen, fällt der Blick zur Linken zwangsläufig auf die mächtige Benediktenwand, liebevoll auch Benewand genannt. Vor ein paar Jahren bin ich bereits einmal von Jachenau aus auf die Benediktenwand gestiegen (siehe Video unten). Im Frühjahr diesen Jahres habe ich zum Jahresauftakt eine Bike&Hike-Tour bis zur Tutzinger Hütte unternommen. Ab der Hütte lag aber noch viel Schnee drin.
Jetzt habe ich ein kurzes Schönwetterfenster genutzt und bin von Benediktbeuern aus auf die Benediktenwand gestiegen.
Um ca. 15 Uhr startete ich am Wanderparkplatz am Wurzweg (8 Euro für 1 ½ Tage). Nach der Überquerung des Lainbachs teilt sich der Weg. Links geht es ins Lainbachtal. Rechts führt der direktere Weg zur Tutzinger Hütte. Im Unterschied zu meiner Bike&Hike-Tour habe ich mich dieses Mal für den Weg rechts entschieden. Dieser führt hauptsächlich durch den Wald und über Wiesen, bevor die beiden Aufstiegsrouten an der Materialseilbahn zur Tutzinger Hütte aufeinandertreffen. Erstaunlicherweise ist der Weg nach rechts mit 15 Minuten mehr angegeben, nämlich 3,5 Stunden. So lange benötigt man aber selbst bei normalem Tempo nicht. Nach gut 2,5 Stunden habe ich die Tutzinger Hütte erreicht.
Auf den letzten 45 Minuten führt ein Steig unter der Materialseilbahn in Serpentinen zur Tutzinger Hütte auf 1327 m hinauf. Überraschenderweise traf ich vor der letzten Kehre auf einen Steinbock, der sich in weniger als 10 Meter Entfernung beim Fressen nicht im Geringsten stören ließ. Bei der Tutzinger Hütte schließlich fiel der Blick auf die prachtvollen Nordabstürze der zwei Kilometer breiten Benediktenwand. Das Gipfelkreuz ist sogar zu sehen.
Die Tutzinger Hütte liegt am Europäischen Fernwanderweg Nr. 4, der von den Pyrenäen bis zum Plattensee in Ungarn reicht, außerdem an der Via Alpina von Triest nach Monaco, hier der Abschnitt von Lenggries/Brauneck zum Herzogstand. Außerdem verlaufen der „Traumpfad München – Venedig“ und der Maximiliansweg hier entlang.
Im Gebiet um die Benediktenwand gibt es ca. 70 bis 80 Alpen-Steinböcke, obwohl Steinböcke normalerweise in höheren Lagen ab 2000 m bis 3000 m vorkommen. Einen davon durfte ich bereits kennenlernen. Die Wahrscheinlichkeit, bei einer Wanderung an der Benediktenwand auf die majestätischen Tiere zu treffen, ist nämlich ziemlich hoch. Da die Population relativ isoliert lebt und sich nicht mit anderen Steinbock-Populationen vermischen kann, besteht die Gefahr von Inzucht. Aus diesem Grund werden bei Bedarf Steinböcke aus anderen Gebieten angesiedelt, was aber nicht immer erfolgreich verläuft. Vornehmlich aus dem Nationalpark Grand Paradiso, wo die Tiere im 19. Jahrhundert unter Schutz gestellt wurden, nachdem der Steinbock kurz vor seiner völligen Ausrottung stand, werden einzelne Exemplare eingeführt. Die Steinböcke an der Benediktenwand haben ihren Ursprung also am Grand Paradiso. Heute leben wieder circa 30.000 Steinböcke in den Alpen.
Das Abendessen auf der Tutzinger Hütte war hervorragend. Suppe, Spinatknödel und Schokokuchen. Sehr empfehlenswert. Und so gut wie in dieser Nacht habe ich noch in keinem Bettenlager geschlafen. Aber frage mich nicht, warum.
Nach dem Käsefrühstück um 7 Uhr machte ich mich auf den Weg. Ich wählte den westseitigen Aufstieg. Dabei traf ich auf den Weg, der von Jachenau über die Glaswandscharte zum Gipfel führt (siehe Video unten). Nach den angenehmen Serpentinen und minimaler Kraxelei führt der Weg durch Latschengelände zum Gipfel auf genau 1800 m Höhe, den ich nach nur einer Stunde erreichte. Der Blick reicht nach Westen über den Walchensee zur Zugspitze, nach Süden ins Karwendel mit der Birkkarspitze und der Großen Arnspitze und im Osten fällt vor allem die Guffertspitze auf. Unterhalb des Gipfelkreuzes befindet sich eine offene Holzhütte zum Biwakieren. Nach Süden würde der Weg über die Bichler Alm und den Altweibersteig in drei Stunden nach Jachenau-Petern führen.
Danach hatte ich den im Vergleich zur Westseite schwierigeren Ostabstieg zunächst bis zum Rotöhrsattel vor mir. Nach einigen Seilsicherungen traf ich dort auf Steinbock Nr. 2, der mich von einem hohen Felsen beobachtete.
Da der Ostabstieg bis zu Tutzinger Hütte auch nur gut eine Stunde erfordert hätte, wäre das für einen Wandertag insgesamt zu kurz gewesen. Deshalb entschloss ich mich, noch die etwas anspruchsvollere Kraxelrunde um die Achselköpfe zu absolvieren. Der Alpenverein weist zwar auf die Notwendigkeit alpiner Erfahrung, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit hin. Nun, so schwierig war es dann doch nicht, aber es sollte unbedingt trocken sein. Bei nassen Verhältnissen kann die Kraxelei bei den Achselköpfen wirklich problematisch sein, denn auf der gesamten Tour sind die Steine extrem speckig. Einige Stellen sind seilversichert.
Vom Wendepunkt am Probstalmsattel zurück zum Rotöhrsattel dauerte es etwa eine Stunde. Dabei muss in den Probstalm-Kessel ab und wieder aufgestiegen werden. Danach geht es noch 30 Minuten hinunter zur Tutzinger Hütte. Kurz vor der Tutzinger Hütte machte ich einen kurzen Abstecher direkt an die Benediktenwand, um dieser zumindest einmal die Hand aufzulegen – fast wie an der Eiger Nordwand.
Auf der Tutzinger Hütte gönnte ich mir die obligatorische Kaspressknödelsuppe, bevor ich mich auf den Talabstieg machte. Nach den Serpentinen bis zur Talstation der Materialseilbahn wählte ich jetzt jedoch den Forstweg, den etwas längeren Rückweg. Mein Neid gehörte den Radfahrern, die wesentlich schneller vorwärts kamen. Allerdings mussten diese auf dem Hinweg auch die schwierige Schiebe-/Tragepassage „Am Elend“ absolvieren. Bei meiner Bike&Hike-Tour im Frühjahr hatte ich mein Mountainbike dagegen bereits an der Eisenbrücke über den Lainbach abgestellt, also unterhalb des Karrenwegs „Am Elend“. Oberhalb ist der Forstweg zwar wieder fahrbar, aber das wusste ich damals nicht. Die Entscheidung, bereits ab der Eisenbrücke über den Lainbach zu laufen oder das Fahrrad die elende, 700 Meter lange Steigung mit etwa 130 Höhenmetern hinaufzuwuchten, muss jeder für sich treffen.
Bilder-Galerie
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Erster Blick auf die Benediktenwand
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Steinbock kurz vor der Tutzinger Hütte
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Die Tutzinger Hütte
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Westlicher Aufstieg zur Benediktenwand
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Blick zurück zur Tutzinger Hütte
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Erster Blick aufs Gipfelkreuz
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Fast 10 Meter hohes Kreuz
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Blick nach Westen zur Zugspitze
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Blick vom Gipfel nach Osten
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Blick nach Süden mit Birkkarspitze
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Blick zurück zum Gipfel
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Blick zurück zum Gipfel
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Big brother is watching me
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Felsen-Labyrinth
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Blick zu den Achselköpfen
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Steinbock Nr. 3
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Kleine Kletterstelle
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Blick nach Osten mit Guffertspitze
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Indian Summer an der Tutzinger Hütte
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Blick hinüber zum Westaufstieg
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Die Hand an der Benediktenwand
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Zurück an der Tutzinger Hütte
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Die Benediktenwand von der Tutzinger Hütte
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Kaspressknödelsuppe
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Brücke über den Lainbach
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Versteckte Söldner-Alm
Benediktenwand von Jachenau aus
Im Oktober 2020 war ich schon einmal auf der Benediktenwand, damals von Jachenau-Ort aus. Entlang der Großen Laine und dem Glasbach liegt oberhalb der Laintalalm ein riesiger Wasserfall auf dem Weg. Im Latschengelände trifft der Weg nach der Glaswandscharte auf den Westaufstieg von der Tutzinger Hütte. Für die Tour muss man hin und zurück 8 Stunden einplanen.